Zuerst erklärt Hollenstein den Unterschied zwischen Winterschnitt und Sommerschnitt.
Winterschnitt: Der Baum lagert im Winter die Energie der Blattmasse (Assimilate/Baustoffe) in den Wurzeln. Baumvolumen an der Oberfläche und Volumen der Wurzeln bilden ein physiologisches Gleichgewicht. Wenn ich schneide, will der Baum dieses Gleichgewicht wiederherstellen, er wird also zum Wachsen angeregt. Ergo, je stärker ich schneide, desto stärker ist der Austrieb/das Wachstum. Der Winterschnitt fördert also das Wachstum.
Sommerschnitt: Der Baum hat nach der Tagwende (durch den Austrieb/das Wachstum nach dem Winterschnitt) sein physiologisches Gleichgewicht schon ziemlich erreicht (ist abnehmend und geht nur noch bis zum Triebabschluss ca. Ende August). Wenn ich jetzt schneide, bleibt der Baum ruhig und treibt nicht mehr oder nur noch wenig aus.
Der Sommerschnitt hemmt also das Wachstum und soll Licht und Luft in den Baum bringen.
Grundsätzlich ist immer das physiologische Gleichgewicht zu beachten, der Ausgleich zwischen Wachstum, Fruchtansatz und Blütenknospenbildung.
Der Sommerschnitt ist die ideale Zeit für dieHöhenbegrenzung beim Steinobst. Man kann Mitteltrieb und Leittriebe ins 2- oder 3-jährige Holz zurückschneiden auf die gewollte Endhöhe. Schlank machen: Konkurrenztriebe und Wasserschoße werden entfernt (vorzugsweise gerissen), oder man lässt einen Zapfen stehen (Länge je nach Dicke des Triebes).
Die Saftwaage so einrichten, dass Mitteltrieb und Leittriebe auf einer Ebene sind oder nur ein leichtes Dach machen. Dies deshalb, weil der Mitteltrieb ohnehin einen starken Zug hat.
Alle unerwünschten Wasserschoße reißen (Sommerriss).
Sonst keine Korrekturschnitte an den Neben- und Fruchtästen des Mitteltriebes und der Leittriebe machen, da würde das physiologische Gleichgewicht gestört – das bleibt dem Winterschnitt vorbehalten.
In der Schweiz werden die Leittriebe mit Bändern an den Mitteltrieb gebunden, damit sie nicht zu weit nach außen und flacher werden (aber schon beim Winterschnitt).
Der Sommerschnitt bei der Kirsche erfolgt bei oder nach der Ernte. Dabei vor allem bei der Weichsel auf die vorhandene Blattmasse achten, die sie für die Einlagerung der Assimilate in die Wurzel braucht. Wenn sie gering ist, nichts machen.
Grundsätzlich: Nur das Notwendige schneiden (nicht drauflosschneiden, weil man grad dran ist). Alle weiteren Schnitte sind dem Winterschnitt in der Vegetationsruhe vorbehalten.
Exkurs Düngung: Laut Hollenstein sollte ca. 3mal gedüngt werden:
Im März mit einem gut verrotteten Mist oder Kompost um die Baumscheibe.
Bei oder nach der Blüte mit einem mineralischen Dünger.
Im November das letzte Mal.
Exkurs zu jungen Apfel-Hochstämmen: Da werden nur die Triebe unterhalb des Baumgerüstes entfernt. Dadurch bekommen Mitteltrieb und Leittriebe mehr Energie zum Wachsen, Korrekturen dürfen auf keinem Fall gemacht werden, die sollen ja wachsen.
Exkurs Pfirsich-Spalier: Höhenbegrenzung machen, schlank machen, Wasserschoße reißen, nach außen stehende Triebe kürzen, wenn möglich von Hand abbrechen/-reißen und Licht für die Früchte hineinbringen. Die Triebe sollen kurzgehalten werden, damit sie Blütenknospen für’s kommende Jahr ansetzen können.
Kirschen können auch schräg am Draht (alle 40 cm) gezogen werden (Drapeau-System).
Und hier noch die Zusammenfassung als Gedicht:
Letzten Freitag beim Kurs mit Richard Hollenstein
hätt' ich glatt vermisst dabei zu sein,
zeigt mit einer Ruhe ohne Hast
den perfekten Schnitt für jeden Ast,
bringt jeden Baum mit bewährter Norm
tatsächlich wieder voll in Form.
Alle Anwesenden bedanken sich bei Hrn. Hollenstein
und werden demnächst sicher wieder zugegen sein.
Dieses war der 1. Streich (Teil)
und der 2. folgt sogleich.
Ein herzliches Dankeschön an die Verfasser Kurt Deuring und Klaus Ergartner!